Ob man die Begeisterung, die die Fans dieser Loks empfinden, in Worten vermitteln kann, bleibt fraglich. Trotzdem stellt sich die Frage, warum gerade diese Loktype in ganz Europa so viele Fans besitzt? Und warum greift dieser Virus auch zunehmend auf Deutschland über, obwohl es hier erst seit dem Jahr 1999 NOHAB-Loks gegeben hat - ganze elf Stück, wenn wir die 1148 mitzählen?
Meistens sind Begegnungen mit diesen Diesellok-Oldtimern verantwortlich dafür, dass man sich ihrem Bann nicht mehr entziehen kann. Manchmal sind es auch die Bilder dieser Loks in Märklin-Katalogen aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts gewesen, an die wir uns erinnerten, als im Jahr 1999 zehn DSB-Maschinen in Deutschland auftauchten. Seitdem wächst in Deutschland die NOHAB-Fangemeinde unaufhörlich an.
In den Ländern, die Rundnasen bei NOHAB ab Werk beschafft haben, wie z. B. Dänemark und Norwegen, haben diese Lokomotiven das Ende der Dampfloks eingeläutet und für längere Zeit das Rückgrat des Eisenbahnverkehrs gebildet. Eine derartige Dominanz einer Loktype wie in Dänemark hat es in Deutschland nie gegeben. Aber anstatt als "Einheitslok" zum Hassobjekt der Eisenbahnfreunde zu mutieren, gewann sie deren Sympathie, als die Nachfolgeloks mit eher wenig gelungenen Designs eintrafen. Man nehme nur die Di8 der NSB oder die Reihe MZ der DSB bzw. die sogenannten Gumminasen. Und noch mehr Wertschätzung erfuhren sie, als sie deutlich länger eingesetzt werden mussten als geplant, weil neu gelieferte Lokomotiven ihren Dienst versagten. So geschehen in Norwegen mit den Di6, die Siemens schließlich sogar zurücknehmen musste.
Die MAV in Ungarn übernahm gerade einmal 20 Rundnasen aus Trollhättan, was damals angesichts des Eisernen Vorhangs ein aufsehenerregender Vorgang war. Die Lokführer waren immer stolz darauf, eine "kapitalistische" Lok in sozialistischer Zeit fahren zu dürfen. Deswegen wurden die Loks in persönlicher Verantwortung gepflegt. Vielleicht auch deswegen bekamen die Ami-Loks dort eine Art Kultstatus und sind bis heute beim Lokpersonal und bei den Fans heißgeliebt.
Was macht aber nun die Faszination dieser Loks genau aus?
Es ist schon erstaunlich, dass die NOHAB-Rundnasen, die in den 50er und 60er-Jahren gebaut wurden, auch im Jahr 2012 in vielen Ländern Europas immer noch bei Privatbahnen und Baufirmen im täglichen Betriebsdienst stehen! Also mit über 50 Betriebsjahren! Kaum eine andere europäische Diesellok aus dieser Zeit steht noch im regulären Dienst, und wenn doch, wie die gute alte V 200, dann überwiegend remotorisiert, weil kaum noch Ersatzteile verfügbar sind. Das Geheimnis der GM-Loks besteht sicher u. a. darin, dass auch heute noch jedes Ersatzteil in den USA lieferbar ist und die Loks aufgrund ihrer robusten Konstruktion nahezu unverwüstlich sind.
Hier zeigt sich deutlich, wie erfolgreich die amerikanische Philosophie beim Diesellokbau ist. Im Gegensatz zu Deutschland, wo stets moderne Konstruktionen in dieselhydraulischer Ausführung mit schnelllaufenden Dieselmotoren entwickelt wurden, basiert die US-amerikanische Diesellok auf einem langsamlaufenden 2-Takt-Schiffsdiesel, dessen Entwicklung auf die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zurückgeht. Dieser Dieselmotor Typ EMD 567 wurde erstmals 1938 ausgeliefert und bis 1965, als er vom EMD 645 abgelöst wurde, in über 25.000 Lokomotiven eingebaut. Er ist damit wohl der meistgebaute Dieselmotor für Lokomotiven. Der EMD 567 wurde mit einem Gleichstromgenerator zu einem dieselelektrischen Antrieb vereint, weswegen die NOHABs eigentlich E-Loks sind, weil der eigentliche Antrieb durch Elektromotoren erfolgt.
Diese Konstruktion hat den Nachteil, schwer zu sein, so dass die GM-Loks überwiegend sechsachsig ausgeführt werden mussten. Dafür ist sie dem rauhen Eisenbahnbetrieb äußerst gut gewachsen und entsprechend standfest. Der gleiche GM-Motor, der auch die Rundnasen antreibt, wurde in zahlreichen Fregatten der dänischen Marine eingebaut und fand nach deren Ausmusterung einen neuen Einsatz als Ersatzmotor in NOHAB-Lokomotiven!
GM hatte schon immer das Problem, ihre Loks aufgrund des deutlich kleineren Lichtraumprofils in Europa nicht verkaufen zu können. Während deswegen in zahlreichen anderen europäischen Ländern Mittelführerstandsloks direkt bei GM beschafft wurden (z. B. die Kennedy-Loks auf dem Balkan), haben wir es NOHAB zu verdanken, dass das Design der berühmten amerikanischen F7-Type auf europäische Verhältnisse adaptiert wurde. Im Stil der 50er Jahre entstand ein Lokgehäuse mit noch gefälligeren Rundungen und größeren Scheiben als bei den US-Loks, das insgesamt eine wohlproportionierte Lokomotive hervorbrachte.
Seit den 1980er Jahren werden keine Lokomotiven mit derartig gerundeten Blechen mehr gefertigt, weil die Metallbearbeitung dafür zu kostenintensiv ist. Deswegen sind moderne Loks eher eckig und kantig. Wenn man die NOHAB-Rundnasen weder heute noch zur Entstehungszeit als besonders modern bezeichnen konnte, könnte man sie besonders im Vergleich zu den zweckmäßigen Loks der heutigen Zeit stattdessen zeitlos-schön nennen. Sicher ist das auch ein Grund für die Beliebtheit dieser Loks.
Neben dem 50er Jahre-Design mit Rundnase fallen diese Loks auch durch ihre zahlreichen Farbgebungen auf, die sie getragen haben oder heute noch spazieren fahren. Keine andere Loktype kann damit aufwarten! Vor allem in Dänemark und Norwegen wurden die Loks nach ihrer Abstellung bei der Staatsbahn nicht etwa wie in Deutschland verschrottet, sondern an Privatbahnen weiterverkauft, die sie zum Teil bis heute einsetzen. Durch Eigentümerwechsel und ihre lange Einsatzzeit ergeben sich zwangsläufig viele verschiedene Farbkleider. Allein durch die deutschen NOHAB-Freunde, allen voran Michael Frick, sind 15 NOHAB-Lackierungen realisiert worden, davon vier bei den Di3 im Kosovo.
Und wem das noch nicht reicht, dem sei dringend der fantastische Sound des 16-Zylinder-Zweitakt-Diesels empfohlen, der besonders bei den Loks ohne Rillenauspuff begeistert. Diesen Loks kann man anhören, wenn sie arbeiten, auch wenn die Drehzahl des Motors unabhängig von der Geschwindigkeit dauerhaft bei nur ca. 800 Umdrehungen/Minute verharrt. Das ist für deutsche Ohren eher ungewöhnlich, steigt doch bei den dieselhydraulischen Loks (V200, V160-Reihe) die Motordrehzahl mit der Geschwindigkeit an.
Aber nicht nur deswegen ist der bullige Sound des 2-Taktdiesels mit knapp 149 Litern Hubraum auf deutschen Gleisen einmalig und begeistert nicht nur Motorenfreaks. Im Gegensatz zu den modernen Loks ist bei den NOHABs die Kraft noch erlebbar - man kann sie hören, auf der Lok auch fühlen und gelegentlich auch riechen. Rußfilter gibt es keine...
Wer eine NOHAB einmal live in Betrieb erleben durfte, wird sich - möglicherweise - der Faszination dieser Nasenloks nicht mehr entziehen können.